Die Abenteuer dreier Freunde in San’in

Die Abenteuer dreier Freunde in San’in(dem perfekten Ort für eine Auszeit, entdeckt von Ausländern mit langjähriger Erfahrung in Japan)


Wer in einer geschäftigen Großstadt wie Tokio lebt, hat hin und wieder unweigerlich das Bedürfnis nach einem Tapetenwechsel an einen Ort, an dem er ein wenig zur Ruhe kommt. Viele Ausländer in Japan, die sich nach einer Auszeit von ihrem hektischen Alltag sehnen, denken dabei erst einmal an beliebte Reiseziele wie die Präfekturen Kyoto, Nagano oder Okinawa, die zweifellos spektakuläre Sehenswürdigkeiten und einmalige Eindrücke versprechen. Allerdings ist es nicht ganz einfach, hier zu finden, wonach man sucht, da die meisten dieser Orte von ausländischen wie einheimischen Touristen überlaufen sind, so dass die eigenen Erwartungen letztlich doch enttäuscht werden. Mein Vorschlag wäre daher, sich weniger bekannten Reisezielen zuzuwenden, wenn einem der Sinn nach unberührter Natur, heiligen historischen Stätten ohne Touristenmassen und der Begegnung mit freundlichen, ja herzlichen Einheimischen steht. Die Region San’in mit den benachbarten Präfekturen Tottori und Shimane ist ein solch idealer Ort, um alte japanische Traditionen, eine stille, intakte Natur und die Lebensweise und Gastfreundschaft der Menschen zu erleben. Schon ein Wochenende in San’in hält unvergessliche Augenblicke für den Besucher bereit – und den Wunsch, schon bald wieder hierher zurückzukehren.


Ich selber lebe seit über zehn Jahren in Japan und habe irgendwann beschlossen, nach San’in zu fahren, um zu sehen, wie sich diese Region von anderen, beliebteren Reisezielen unterscheidet. Bei meinem Aufenthalt musste ich einige meiner Vorstellungen vom ländlichen Leben in Japan revidieren, und ich habe sogar bedauert, nicht schon früher hierher gekommen zu sein, denn San’in ist ein wahrer Juwel für jeden, der das wirkliche Japan kennenlernen möchte. Damit meine ich nicht nur historische Stätten und unberührte Natur, sondern auch das Eintauchen in die Lebensweise der Einheimischen und eine Atmosphäre, wie man sie wohl nur hier findet. Fast hat es den Anschein, als hätte die Zeit nicht nur keinen Einfluss auf den Alltag der Menschen, sondern als konserviere sie geradezu den starken traditionellen Geist der Region in seiner besten Form.


So kam es also, dass ich eines sonnigen Herbsttages zusammen mit zwei Freunden den perfekten Zufluchtsort fand, an dem keiner von uns jemals zuvor gewesen war. Wir wollten nicht nur die örtlichen Sehenswürdigkeiten erkunden, sondern auch die ländliche Lebensweise und die Einheimischen kennenlernen, die um so viel herzlicher sind als die Menschen in den großen Städten. Die Region San’in erwies sich als der denkbar beste Ort für dieses Vorhaben.


Mit dem Flugzeug brauchten wir nur eineinhalb Stunden nach Yonago City in der Präfektur Tottori. Am Flughafen nahm uns unser Reiseführer Shin in Empfang, und schon bald näherten wir uns dem heiligen Daisen, einem Vulkan, der nur eine Autostunde von Yonago entfernt liegt. Der Daisen ist einer der wichtigsten Berge des japanischen Shugendo und genießt seit 300 v.Chr. den Status einer Gottheit. Unsere Reise fiel genau in die Zeit des bunten Herbstlaubs, und so konnten wir den spektakulären Daisenji-Tempel und den Ogamiyama-Schrein in die leuchtenden Farben des Blätterwalds eintauchen sehen. Wer genug Zeit zur Verfügung hat, sollte unbedingt eine Wanderung um den Daisen unternehmen, denn er hält eine der malerischsten Wanderrouten in Tottori bereit.





Berühmt ist die Umgebung des Daisen auch für ihre Süßwasserquellen. Das Wasser von hier gilt zu Recht als eines der reinsten und klarsten in Japan. Die Einheimischen haben nicht nur das Privileg, es im Alltag nutzen zu dürfen, diese kristallklare Naturressource ist auch der Grund für die hervorragende Qualität des hier produzierten Sake. Und nicht zufällig haben sich die beiden großen Trinkwasserunternehmen Coca-Cola und Suntory mit ihren Werken in der Nachbarschaft des Daisen niedergelassen. Auf dem Weg in die Gegend von Okuizumo machte Shin an mehreren Orten halt, damit wir dieses unvergleichlich klare und wohlschmeckende Wasser probieren konnten, so an der Hongu no Izumi Water Spring und der Ameno Manai Water Spring, jeweils mit Wassermühle im japanischen Stil.





Nahe der Ameno Manai Water Spring machten wir Mittagspause in einem traditionellen Gasthaus, das von einer 80-jährigen Wirtin geführt wird – Itsuko san. Diese Frau ist so energiegeladen und gutaussehend, dass ich sie auf höchstens 50 bis 60 Jahre geschätzt hätte. Sie begrüßte uns persönlich und empfahl uns die Nachspeise des Hauses, ein Parfait aus Süßkartoffeln und Birnen, die sie in ihrem eigenen Garten hinter der durchsichtigen Wand des Restaurants anbaut. Dieses herrliche Dessert war der krönende Abschluss eines Gerichts aus hausgemachten Soba-Nudeln, das unseren Aufenthalt in ihrem Haus umso wohltuender machte. Itsuko-san bereitet ihre Parfaits mit Früchten und Beeren der Saison zu. Wenn Sie also ein nächstes Mal herkommen, können Sie sich wieder auf ein neues Gaumenerlebnis feuen! Hier die Instagram-Adresse des Restaurants: https://www.instagram.com/amanomanai/




Bei unserer Ankunft in Okuizumo begaben wir uns in die Obhut unseres örtlichen Reiseführers Sameera, der zwar aus Sri-Lanka stammt, aber schon seit einer Ewigkeit in der Präfektur Shimane lebt. Wir waren begierig, alles über die japanische Handwerkskunst der katana (Langschwert)-Herstellung zu erfahren, denn diese Gegend ist berühmt für die beste Eisenqualität nicht nur innerhalb Japans, sondern weltweit. Im Tatara-Schwertmuseum von Okuizumo (Okuizumo Tatara Sword Museum) sogen wir jede Menge Informationen über den tatara-Schmelzvorgang ein. Hierbei handelt es sich um eine traditionelle Methode zur Herstellung von Eisen durch die Verbrennung von Eisensand, den die Einheimischen in den umliegenden Bergen gewannen, und Holzkohle in einem Lehmofen. Besonders gut hat mir der interaktive Ansatz des Museums gefallen, mit dem jeder Besucher die alten Verfahren der Eisenherstellung unmittelbar nachvollziehen kann.




Auf unserem weiteren Weg wollten wir uns keinesfalls die grandiose Oni-no-Shitaburui-Schlucht entgehen lassen, mit der eindrucksvollen Konstruktion einer Hängebrücke und einer spektakulären Kulisse aus flammendem Herbstlaub. Sollten Sie also im Herbst nach Okuizumo kommen, denken Sie daran, unbedingt diesen herrlichen Flecken Natur zu besichtigen!


Bei Einbruch der Dunkelheit schließlich fuhren uns Sameera und Shin zu einer sehr entspannenden Thermalquelle – Chouja no Yu onsen. Hierbei handelt es sich um eine heiße alkalische Quelle mit entsprechend samtweichem Wasser. Als wir eintauchten, fiel augenblicklich alle Müdigkeit von der langen Erkundungstour von uns ab.  In diesem Thermalbad kann man außerdem Obst und Gemüse von den einheimischen Bauern kaufen – ein herrliches San’in-Souvenir zu einem günstigen Preis, wenn man nicht zu weit entfernt wohnt!


Doch der Höhepunkt dieses erlebnisreichen Tages sollte erst noch kommen: die Ankunft in der Pension Ooe no Sato. Diese Herberge befindet sich in einem 250 Jahre alten traditionellen japanischen Haus mit atemberaubendem Blick auf die Reisfelder. Hier scheinen Lärm und Hektik der Zivilisation unendlich weit weg. Stattdessen sorgen die Geräusche des Waldes und ein sternklarer Nachthimmel für ungetrübte Erholung und Entspannung. Wenn Sie in einem traditionellen japanischen Haus übernachten, aber nicht zu viel für ein Ryokan ausgeben möchten, ist Ooe no Sato die perfekte Wahl!


Takeshi und seine Frau Naoko waren so ziemlich die nettesten Gastgeber, denen ich jemals begegnet bin. Wir hatten Gelegenheit, einen Soba-Kochkurs bei Takeshi zu machen, wobei er uns alle Tricks und Kniffe verriet, um die denkbar delikatesten Nudeln für das Abendessen zuzubereiten. Das Ooe no Sato ist übrigens ein Selbstversorger-Betrieb. Der Reis aus dem traditionellen Topf, die takenoko (Bambussprossen) und weitere Gemüsesorten stammen alle von Takeshis Bauernhof oder aus dem Wald hinter dem Haus. Wir bekamen sogar Wildschwein serviert, das Takeshi auf seinem Reisfeld jagt. Nach dem Hauptgang kredenzte uns Takeshi einen ausnehmend schmackhaften heimischen Sake, und Naoko bereitete für uns Kakis (japanische Persimonen) aus dem Garten zu.



Wir alle waren schon überzeugt, dass dieser Tag keinen noch besseren Abschluss finden könnte, bis Takeshi sein shamisen (dreisaitiges traditionelles japanisches Zupfinstrument) und seine kleinen Trommeln hervorholte, die man hier bei Festen und Kagura-Aufführungen spielt. Er beherrscht diese seltenen Instrumente virtuos, und als Naoko auch noch einige traditionelle Shimane-Lieder dazu sang, waren wir so beseelt von dem authentischen Flair dieses Abends, dass wir ihn sicherlich niemals vergessen werden.



Am nächsten Morgen erwachten wir mit dem atemberaubenden Blick aus dem Fenster auf die Berge und Reisfelder. Naoko bereitete uns ein einfaches japanisches Frühstück zu, und schon traf unser nächster Reiseführer Koki ein, um uns abzuholen. Meine Freunde und ich waren die ersten, die sich im Gästebuch des Ooe no Sato verewigen durften.  Nach so viel Herzenswärme und Gastfreundschaft fiel uns der Abschied von den Wirtsleuten nicht leicht. Sie haben uns so viele positive Emotionen und Kenntnisse vom Leben der Bewohner dieses Landstrichs vermittelt, dass ich ihnen für die Zukunft jede Menge Gäste wünsche und hoffe, bald wieder einmal herkommen zu können.


Die Fortsetzung dieses Artikels finden Sie über den untenstehenden Link.

https://sanin-japan.com/featured/okuizumo

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